Die Geschichte der Küche
Über Frankfurt in die Freiheit:
Kein Wohnraum hat sich im Laufe der Zeit so verändert wie die Küche. Einst lediglich ein abgetrennter Arbeitsplatz der Hausfrau, ist sie heute ein Ort der Geselligkeit geworden.
Eine Zeitreise.

Um die Relevanz guten Essens heutzutage richtig einzuordnen, reicht ein Besuch in der Buchhandlung. Prall gefüllt sind die Regale, jedem noch so kleinen Trend ist zumindest ein Werk gewidmet, eins schöner als das andere. Was uns bleibt, ist die Qual der Wahl. Kochen ist längst nicht mehr das, was es einmal war, genauso wenig wie die Küche selbst. Heute ist die Küche eine Kommunikationszentrale, ein Ort der Gemeinsamkeit. Hier spielt sich das Leben ab. Aber das war nicht immer so.
Früher einmal war die Küche alles andere als ein Wohlfühlort

Zu Beginn des 18. Jahrhundert war sie in einfachen Haushalten spartanisch, ebenso wie die Gerichte, die auf den Tisch kamen. Eintopf, Brei und Suppe wurden an einer offenen Feuerstelle zubereitet, in einem Kessel, der an einer Kette darüber hing. Verantwortlich für den ersten Schritt hin zur Küche, wie wir sie kennen, ist François de Cuvilliés, ein französischer Architekt,der 1735 für die Münchner Amalienburg den Castrol-Herd erfand, wobei er den rundum gemauerten Feuerkasten mit einer durchbrochenen Eisenplatte versah, auf die man fortan die Kochtöpfe stellte. In Serie ging seine Idee aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts.
Den größten Entwicklungssprung in der jüngeren Geschichte verdankt man der Wienerin Margarete Schütte-Lihotzky. Ernst May, ab 1925 Baudezernent in Frankfurt am Main, holte die blutjunge Architektin nach Deutschland und beauftragte sie mit der Planung der „Küche von morgen“. Der Rest ist (Erfolgs-)Geschichte. Denn auch wenn Schütte-Lihotzky in Interviews oft sagte, „hätte ich gewusst, dass ich ein Leben lang über diese verdammte Küche sprechen muss, dann hätte ich sie nie gebaut“ – mit der „Frankfurter Küche“ schuf sie einen Trend, der jahrzehntelang als A und O der Küchenplanung galt.
Heute ist die Küche eine Kommunikationszentrale, ein Ort der Gemeinsamkeit, der Gemütlichkeit.

Mit einer Stoppuhr versehen, maß sie jeden Handgriff penibel ab, gestaltete zusammenpassende Ober- und Unterschränke und folgerte aus den Berechnungen, dass die optimale Küche eine Größe von sechseinhalb Quadratmetern haben sollte. Zur Grundausstattung gehörte ein Gasherd samt Kochkiste zum Warmhalten der Speisen, ein Spülbecken mit Abtropfgestell, luftdurchlässige Schränke sowie ein ausklappbares Bügelbrett. Das perfekte Reich für die Hausfrau, hier konnte sie den ganzen Tag lang alleine kochen und werken, während der Rest der Wohnung von der gesamten Familie genutzt wurde.

Rund fünfzig Jahre war die „Frankfurter Küche“ der De-facto-Standard, erst 1970 tat sich wieder Nennenswertes am Markt. Dann nämlich, als Hasso Gehrmann mit seiner Elektra Technovision, „der ersten vollautomatischen Küche der Welt“, von einer Messe zur anderen tingelte. Es war quasi die Geburt der Kochinsel, wenngleich sich die Gehrmann’sche Vorstellung, dass alle Geräte mit Knöpfen und Pedalen von einer zentralen Arbeitsstelle zu steuern sind, nicht durchsetzte. Die Idee der Insel hingegen schon.

Otl Aicher, Mitgründer der berühmten Hochschule für Gestaltung Ulm, veröffentlichte 1982 für einen renommierten Küchenhersteller eine Studie, die den vielsagenden Titel „Die Küche zum Kochen. Das Ende einer Architekturdoktrin“ trug. Aichers Erkenntnis: Die Ein-Personen-Küchen sind Schnee von gestern, vielmehr sollten Küchen mithilfe von diversen Modulen individueller planbar sein. Auch deshalb, weil sich die Zeiten geändert hatten. Immer öfter stand nicht nur die Hausfrau allein am Herd, zuweilen kochten Kinder mit, manchmal sogar der Ehemann. Deshalb plädierte der Designer dafür, einen Arbeitstisch im Zentrum zu platzieren. Wie Gehrmann, nur ausgereifter.

Und nun ist sie da, die „neue Freiheit“ – in Form einer offenen Küche. Man hat so die Möglichkeit, das Kochumfeld direkt in seinen Wohnbereich zu integrieren. Durch umfangreichere Arbeitsflächen ist nun endlich Teamwork in Sachen Essenszubereitung möglich. Auch in puncto Design fügt sich die Küche einwandfrei in den Wohnraum ein und bildet den perfekten Sparringspartner für Ess- oder Wohnzimmer. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass alles einst mit einer simplen Feuerstelle begann.